Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer,

wie Millionen Deutsche war Wolfgang Strasdas in Mallorca, neulich erst. Was ihn von den meisten Besuchern der Baleareninsel unterscheidet: Strasdas ist ohne Flugzeug dorthin gekommen. Der Professor an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde unternahm eine Exkursion mit Studenten, und die sollte möglichst nachhaltig ablaufen. Sie möchten wissen, wie die Reise funktioniert, sie vielleicht sogar selbst ausprobieren? Lesen Sie seinen Reisebericht weiter unten!

Außerdem in diesem Newsletter: Klimaschutz ist in aller Munde, befeuert von den wöchentlichen #FridaysforFuture-Klimastreiks. Wie sehen Wege aus der Krise aus, was kann jeder persönlich tun? Wir haben Tipps gesammelt. +++ Etwas weiter weg, nämlich in Nepal und auf Madagaskar, gibt es gute Neuigkeiten von atmosfair-Projekten: Eine besondere Eco-Lodge aus Hanf auf dem nachhaltigen Wanderpfad Climate Trek in Nepal steht kurz vor der Eröffnung, und die Madegassen freuen sich auf die geplante Photovoltaikanlage. +++ CO₂-Kompensation wirkt nicht und ist Geschäftemacherei mit dem schlechten Gewissen – diese Behauptung stellt die Fernsehsendung Report Mainz auf, in einem leider fehlerhaften Beitrag. Die Reaktion der atmosfair Schirmherren Prof. Klaus Töpfer, Prof. Hartmut Graßl und Prof. Mojib Latif und die Antwort der Report Redaktion können Sie nachlesen. +++ atmosfair stellt ein: Neue Jobs im Team.

Sie haben Fragen, Kritik oder Anregungen? Schreiben Sie uns: info@atmosfair.de

Ihr Dietrich Brockhagen
Geschäftsführer atmosfair

Mallorca ohne Flugzeug

von Wolfgang Strasdas, Zentrum für Nachhaltigen Tourismus, Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde

Als wir unseren Studierenden mitteilten, dass die diesjährige Exkursion nach Mallorca gehen würde, gab es Proteste. In einem Studiengang namens Nachhaltiges Tourismusmanagement sei es nicht vertretbar, ein Exkursionsziel auszuwählen, das man nur mit dem Flugzeug erreichen könne. Das stachelte meinen Ehrgeiz an! Dass man an einem Tag von Berlin nach Marseille mit der Bahn fahren kann, wusste ich schon. Der entscheidende Hinweis, wie es weitergehen könnte, kam von einem französischen Kollegen: die Fähre von Toulon nach Alcúdia auf Mallorca. Also machte ich mich ans Recherchieren und buchte meine Reise. Und die sah so aus:

Am Freitagmorgen zu Fuß mit dem (zugegebenermaßen verhassten) Rollkoffer zum Bahnhof Gesundbrunnen. Von dort erst mit dem Regionalexpress, dann mit dem ICE nach Frankfurt. Wegen der knappen Umsteigezeit von 14 Minuten war ich etwas nervös, aber es klappte. In rasendem Tempo brachte mich der französische TGV durch das Elsass und das Rhône-Tal in 8 Stunden nach Marseille – eine meiner Lieblingsstädte: dreckig und schön, kreativ und multikulturell wie Berlin, nur eben am Mittelmeer! Kleiner Spaziergang und Jazzkonzert am Abend in der Caravelle Bar am Alten Hafen.

Abfahrt von Berlin nach Marseille / Auf dem See- statt Luftweg nach Mallorca

Aufgewacht am nächsten Morgen mit Blick auf den afrikanisch-arabischen Gemüsemarkt und noch viel Zeit, durch altbekannte Stadtviertel zu bummeln, u.a. das alternative Szeneviertel um den Cours Julien. Dann ging es mit der Regionalbahn weiter nach Toulon. Im Hafen lagen schon mehrere der großen gelb-weißen Fährschiffe von Corsica Ferries. Einchecken in die Kabine und schon gleitet das Schiff langsam hinaus auf das offene Mittelmeer. Am nächsten Tag die Berge von Mallorca im Morgenlicht; ein Tee in der ersten Bar, die geöffnet hat; nach einiger Sucherei den Bus nach Palma gefunden und 48 Stunden nachdem ich meine Berliner Wohnung verlassen habe, erreiche ich die Jugendherberge, wo nach und nach die Studierenden und die Kolleg*innen eintrudeln.

Naturgemäß war die Rückfahrt weniger spannend, außer dass ich diesmal die Tagfähre von Alcúdia nach Toulon genommen habe. Gut 10 Stunden über das blaue Mittelmeer, das erstaunlich groß und weit ist – stundenlang ist überhaupt kein Land zu sehen. Man bekommt eine Ahnung davon, wie gefährlich es sein muss, wenn Menschen versuchen, dieses Meer mit kleinen Booten zu überqueren …

Noch eine Nacht in Marseille, zufällig eine Performance im Hotel Ryad, dann ging es in 12 Stunden und ohne Komplikationen zurück nach Berlin – an einem Tag durch ganz Frankreich und ganz Deutschland!

Warum ich diese Reise gemacht habe? Vor allem aus Klimaschutzgründen natürlich. Ich wollte im „Selbstexperiment“ zeigen, dass es möglich ist, innerhalb von Europa ohne Flugzeug zu reisen. Im Vergleich zur Flugreise (ca. 1,2 Tonnen CO₂-e-Emissionen hin und zurück) lag meine Bilanz bei 338 kg, wobei jedoch die mit Schweröl betriebene Fähre ein Problem darstellt. Bis Toulon war meine Reise dank (öko-) strombetriebener Hochgeschwindigkeitszüge fast klimaneutral.[1]

Die üblichen Einwände, es sei mit dem Flugzeug nicht nur schneller, sondern auch billiger, kann ich bei sechs täglichen Direktflügen von Berlin nach Mallorca mit Low-Cost-Airlines natürlich nur teilweise entkräften. Beginnen wir mit den Kosten: Die Fahrkarte Berlin – Marseille und zurück kostete mit dem „Super Sparpreis EU“ in der 1. Klasse nur 180 EUR, die Fährfahrt hin und zurück 140 EUR (mit Einzelkabine während der Nachtfahrt), plus noch einmal knapp 40 EUR für den ÖPV zwischen Marseille und Toulon und auf Mallorca; insgesamt also 360 EUR für die gesamte An- und Abreise, etwa dreimal so viel wie das Flugzeug, aber mit hohem Komfortfaktor. Ehrlicherweise muss ich an dieser Stelle noch die 140 EUR für die beiden Übernachtungen in Marseille erwähnen, doch habe ich dafür eben auch noch Zeit in Marseille verbracht und ein weiteres Reiseziel auf dem Weg besucht.

Zum Zeitargument: Hier stehen pro Strecke zwei ganze Tage einem 2,5-stündigen Flug gegenüber, zu dem man jedoch noch zwei Flughafen-Transfers und die Wartezeiten vor und nach dem Flug hinzurechnen muss. Die Bahnfahrt in der 1. Klasse sehe ich demgegenüber als „rollendes Büro“ an und auch die Schifffahrt tagsüber nutzte ich für die Erledigung lange liegen gebliebener Aufgaben, u.a. für das Lesen einer spannenden Masterarbeit über Nachhaltigkeits-Reporting in der Kreuzfahrtindustrie!

Und noch ein Argument: Neben dem wohligen Gefühl eines (fast) reinen Gewissens hat mich diese Reise an alte Zeiten erinnert, als ich auf diese Weise als Backpacker unterwegs war, nicht nur, weil Fliegen damals indiskutabel teuer war, sondern auch wegen des langsamen, intensiven Ankommens in anderen Ländern: die Überquerung des Rheins, die ersten weißen Felsen der Provence, die Weite des Meeres, die Ankunft in einer nachtschlafenden Hafenstadt an einem Sonntagmorgen …

Eines muss aber auch klar sein: Allein der Umstand, dass eine Reise, die früher ganz normal war, heute eine Pressemitteilung wert ist oder als „Challenge“ kommuniziert wird – eben weil kein Mensch mehr so reist – zeigt, dass wir als Gesellschaft mit Appellen an freiwillige Verhaltensänderungen nicht weiterkommen. Meine Hoffnung, gegenüber unseren Studierenden eine Vorbildwirkung zu entfalten, ist kläglich gescheitert – alle sind geflogen! Ohne klare Preissignale wird es kein klimafreundliches Reisen geben.

 

 

 

[1] Berechnung: Berlin – Kehl –Berlin: 3 kg (Quelle: DB UmweltMobilCheck), Strasbourg – Toulon – Strasbourg: 7,1 kg (Quelle. SNCF); Toulon – Alcudia – Toulon = 1.037 km x 310 g/pkm (Quelle: Österreichisches Umweltzeichen)

Fridays for Future: Wie Sie den Klimaprotest zum Alltag machen

Weniger Fliegen ist eine wirksame Maßnahme für den Klimaschutz. Der Flug von Berlin nach Mallorca und zurück, denn Professor Strasdas nicht genommen hat, hätte rund 600 kg CO₂ verursacht. Das ist ein Viertel des klimaverträglichen Pro-Kopf-Jahresbudgets. Welche Handlungsfelder gibt es noch? In unserer Beitragsserie zu Fridays for Future haben wir in den vergangenen Wochen Tipps für weniger CO₂ im Alltag aufgeschrieben.

Team atmosfair bei #FridaysForFuture

Die Themen: Heizen und Strom sind für rund 20 Prozent der CO₂-Emissionen von Privathaushalten verantwortlich.

Teil 1: Wie man zu Hause Energie spart. Fliegen ist schlimm, aber was ist besser und wie stellt man es an?

Teil 2: CO₂-arm unterwegs.

Teil 3: Klimafreundlich essen – ein paar Faustregeln für den Alltag.

Teil 4: Shopping Queen oder Minimalist: Konsum verursacht große Mengen an Treibhausgasen – und birgt jede Menge Einsparpotenzial.

Teil 5: Und Schließlich für diejenigen, denen Veränderungen im Privaten nicht ausreichen: Ideen für das Klimaschutzengagement vor Ort.

Aus Hanf und mit Solarpower: Die neue Eco Lodge von Herrn Lama in Nepal ist fertig

Sie haben es vielleicht schon gehört: In der Helambu-Region ist im vergangenen Herbst der erste klimaschonende Trekking-Pfad Nepals, der Climate Trek, eröffnet worden. Nach den starken Erdbeben im Jahr 2015 unterstützte atmosfair den Wiederaufbau vor Ort. Die touristische Infrastruktur erhielt im Zuge dessen ein Upgrade auf erneuerbare Energien und Energieeffizienztechnologien. Teil des Climate Treks ist die Yangrima Eco-Lodge in Sermatang, ein Modellprojekt für umweltfreundliches Bauen. Sie ist nun fertig und bereit für die ersten Gäste.

Die Yangrima Eco-Lodge während der Bauphase
Gästezimmer von innen

Der Besitzer der Yangrima Eco-Lodge, Gopal Lama, wollte nicht nur eine energieeffiziente Unterkunft für Touristen schaffen, sondern auch andere Lodge-Betreiber dazu motivieren, nachhaltig zu bauen. 4 Besonderheiten zeichnen Yangrima aus:

  • Hanf als Baustoff: Gebaut wurde mit dem klima- und umweltfreundlichen Baustoff Hanfbeton, der gegenüber konventionellen Materialien rund 30 Tonnen CO2 eingespart hat. Außerdem hat er eine gute Isolierungswirkung und schützt gegen die kalten Nächte der Himalaya-Region.
  • Energieversorgung: Heizenergie und Strom werden zum Teil durch Photovoltaik bereitgestellt. Zusätzlich senken effiziente Öfen den Verbrauch von Feuerholz.
  • Wasser: Methoden zur Grauwasseraufbereitung senken den Trinkwasserbedarf um 2.000 Liter pro Tag. Zusätzlich wird Regenwasser gesammelt.
  • Bio-Gemüse aus dem eigenen Garten, ein Null-Plastik-Ansatz sowie Umweltbildungsmaßnahmen beziehen Besucher und Mitarbeiter mit ein.

Madagaskar: Solarenergie soll Öl ersetzen

Madagaskar ist eines der sonnenreichsten Länder der Welt, mit rund 3.000 Sonnenstunden pro Jahr – aber nur 15 Prozent der Bevölkerung hat Zugang zu Elektrizität. Bis 2030 sollen es 70 Prozent werden. In der Stadt Toliara im Südwesten der Insel sorgt bisher ein Schwerölkraftwerk für den Strom aus der Leitung. Allerdings nicht genug für die rund 160.000 Einwohner. Um das Netz zu stabilisieren, plant atmosfair gemeinsam mit den Partnern Akuo und Enelec für 2019 eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 2,9 MWp.

Das Projekt wird in enger Abstimmung mit der Bevölkerung geplant und umgesetzt. Um unbeabsichtigte Folgen zu vermeiden und sicherzustellen, dass es zur nachhaltigen Entwicklung der Region beiträgt, organisierte atmosfair Ende 2018 eine sogenannte Local Stakeholder Consultation. Erfreulicherweise fand das Projekt großen Zuspruch unter den Beteiligten, sodass der Bau noch dieses Jahr stattfinden kann. Die Photovoltaikanlage wird nach dem Gold Standard zertifiziert.

Vertreterinnen der Woman Entrepreneurs, Akuo und atmosfair 

Kritischer Medienbericht: Report Mainz

Am 7. Mai strahlte die ARD in der Sendung „Report Mainz“ einen Beitrag aus, der die Wirksamkeit von CO₂-Kompensation in Frage stellt. Zwar umfasst die Kritik einige berechtigte Punkte, etwa die Fragen nach Transparenz und was überhaupt kompensiert werden sollte. Nichtsdestoweniger enthält der Beitrag einige gravierende Fehler. Die Schlussfolgerung der Autoren, dass CO₂-Kompensation wirkungslos und Geschäftemacherei sei, ist daher falsch und schadet den Bemühungen um Klimaschutz. Die atmosfair-Schirmherren Klaus Töpfer, Mojib Latif und Hartmut Graßl haben einen offenen Brief an die Redaktion und den Sender verfasst, in dem sie ihre Kritik an dem Beitrag äußern. Den Brief sowie das Antwortschreiben von Report Mainz können Sie auf unserer Homepage nachlesen.

Kollegen gesucht: Jobs bei atmosfair

atmosfair wächst – auch dank Ihrer Unterstützung – und unser Berliner Team sucht Verstärkung. Aktuell haben wir Stellen im Business Development sowie in der Kundenbetreuung zu besetzen. Bewerbungen nehmen wir gern bis zum 30. Juni entgegen. Auch Werkstudenten, Praktikanten und Ökologische Freiwilligendienstleistende sind willkommen. Hier geht es zu den Stellenausschreibungen.

Das atmosfair-Team freut sich auf neue Kollegen