Zur UN-Klimakonferenz 2024 in Baku legt atmosfair das erste Klimaranking der weltweit größten Fluggesellschaften nach der Pandemie vor. Der globale Flugverkehr fällt beim Klimaschutz weiter zurück und verfehlt internationale Klimaziele. Nur einzelne Fluggesellschaften entkoppeln zeitweise CO₂-Emissionen und Flugwachstum. Deutsche Airlines stagnieren und verlieren damit im Vergleich. Bio-Kerosin spielt noch keine Rolle, neue hocheffiziente Flugzeuge sind der Maßstab.
Berlin, 20.11.2024: Der weltweite Passagierluftverkehr verfehlt den Kurs auf die Pariser Klimaziele deutlich. Im ersten Normaljahr nach der Pandemie haben 2023 die Fluggesellschaften im Vergleich zum Vor-Pandemiejahr 2019 weltweit ihre CO2-Effizienz nur um knapp 6% verbessert, was einer durchschnittlichen jährlichen Steigerung von 1,4% entspricht. Nötig wären aber bei weiterwachsendem Flugaufkommen für die Klimaziele von Paris und allein für das Stoppen des CO2-Anstiegs eine Effizienzsteigerung von jährlich etwa 4%. Mit der schwachen Entwicklung der letzten Jahre verfehlen die Airlines nun zum ersten Mal sogar die Klima-Zielvorgabe der internationalen zivilen Luftfahrtorganisation ICAO von jährlich 2% CO2-Effizienzsteigerung. Das zeigt der neue Airline-Index (AAI), den die deutsche Klimaschutzorganisation atmosfair zur Klimakonferenz von Baku vorgelegt hat.
„Der Luftverkehr ist fast wieder auf das Vor-Pandemie-Niveau angewachsen“ sagt Dietrich Brockhagen, Geschäftsführer von atmosfair. „Das gilt leider nicht für die Klimabemühungen. Bei diesen haben die Airlines selbst gegenüber der schwachen Dekade vor der Pandemie weiter nachgelassen und verfehlen jetzt auch noch das ohnehin ungenügende ICAO-Ziel.“
Die Luftverkehrswirtschaft hat 2023 weltweit mit über 80% Passagierauslastung zwar fast genau wieder die Auslastungen von 2019 erreicht. Aber Flottenmodernisierung und die Optimierung der Flugzeugtypen auf die Streckenprofile haben nachgelassen. Das Flugaufkommen liegt dabei noch nicht ganz auf Vor-Pandemieniveau, weswegen die CO2-Emissionen 2023 insgesamt noch etwa 10% unter denen von 2019 lagen.
„Die Klimawende im Flugverkehr lässt auf sich warten“ so Brockhagen. „Unsere Zahlen bei der CO2-Effizienz und die Prognosen für die notwendigen synthetischen und CO2-neutralen Treibstoffe zeigen, dass der Sektor beim Klimaschutz einfach zu langsam ist.“ Die von atmosfair ermittelten Zahlen sind unabhängig von der Pandemie und beziehen sich nicht auf die absoluten CO2-Emissionen, sondern auf die CO2-Effizienz, also die CO2-Emissionen pro Passagier und Flugkilometer.
Neue Flugzeugtypen steigern Effizienz der Flotten
Der AAI zeigt, dass neue Flugzeuge wie die Boeing 737MAX-8, Airbus A350-1000 oder A321neo selbst auf der verbrauchsintensiven Langstrecke Werte von weniger als 3,5 Liter Kerosin pro Passagier und 100 Kilometer erzielen können. Diese neuen Flugzeuge setzen aktuell die Messlatte für erreichbare CO2-Effizienz deutlich höher. Daher schneiden Fluggesellschaften im aktuellen AAI in der Bewertung schlechter ab, die eine unveränderte Flotte haben oder sich mit neuen Flugzeugen nur wenig verbessert haben. Da bei keiner Fluggesellschaft solche neuen Flugzeuge die Flotte dominieren, erreicht keine Fluggesellschaft die beste Effizienzklasse A und nur zwei die Effizienzklasse B von insgesamt 7 Klassen (A-G).
Deutsche Airlines stagnieren, Lufthansa auf Platz 97
Bei den deutschen Airlines Lufthansa, Condor und TUIfly stagniert die CO2-Effizienz gegenüber der Vor-Pandemie; die Lufthansa konnte sich zwar leicht verbessern, aber weniger als der Durchschnitt der globalen Branche. Damit fallen die deutschen Fluggesellschaften im aktuellen Ranking zurück (Lufthansa von Platz 66 auf Platz 97, Klasse F; Condor von Platz 9 auf Platz 36, Klasse D; TUIfly von Platz 4 auf Platz 14, Klasse C).
Unter den großen Linienfluggesellschaften führt international die chilenisch-brasilianische LATAM das Ranking mit moderner Flotte und hohen Auslastungen an (Platz 4, 82 von 100 möglichen Effizienzpunkten). Innerhalb der EU liegen die spanischen Iberia (Platz 12, 78 Effizienzpunkte) und Air Europa (Platz 18, 76 Effizienzpunkte) vorne. Von den Top 50 CO2-effizientesten Airlines der Welt kamen 12 aus Europa und 7 aus China.
CO2-armes Kerosin spielt noch kaum eine Rolle
Der Airline Index berücksichtigt auch die Nutzung von alternativen Flugkerosin, das z.B. aus gebrauchten Speisefetten hergestellt wird und deutlich niedrige CO2-Emissionen hat als fossil basiertes Kerosin. Allerdings sind die Mengen bisher gering und erreichen maximal etwa 1% des gesamten Kerosinverbrauchs einer Airline. Nur eine Airline konnte sich durch die Nutzung von Bio-Kerosin im Ranking um zwei Plätze verbessern.
Das CORSIA Abkommen der internationalen zivilen Luftfahrtorganisation ICAO erlaubt, dass Fluggesellschaften zukünftig ihre wachsenden CO2-Emissionen durch Klimaschutzprojekte außerhalb der Luftverkehrsbranche kompensieren können. Offen bleibt, wie die Branche selbst ihre CO2-Emissionen so senkt, dass sie im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen nach 2050 CO2-frei wird.
Billigflieger werden im AAI in einer eigenen Klasse gewertet. Der Grund: sie profitieren unter anderem häufig von Subventionen und setzen diese dann über künstlich niedrige Ticketpreise in Flugkilometer und damit CO2-Emissionen um, die sonst nicht entstanden wären. Vier Billigflieger finden sich in der Effizienzklasse B. Wie die übrigen Airlines landen die meisten in den Effizienzklassen C und D.
Aufbau, Daten und Methode
Der Atmosfair Airline Index (AAI) vergleicht einzeln die Treibhausgasemissionen der über 200 größten Fluggesellschaften weltweit und bewertet deren CO2-Effizienz. Insgesamt bildet der AAI rund um den Globus etwa 92% des weltweiten Luftverkehrs ab. Die aktuellen Berechnungen beruhen auf den jüngsten verfügbaren Daten der weltweiten Luftverkehrsbranche von 2023.
Im AAI kann jede Fluggesellschaft zwischen 0 und 100 Effizienzpunkte erhalten, getrennt nach Kurz-, Mittel- und Langstrecke. So kann jeder Fluggast vor einem Flug die Fluggesellschaften vergleichen, die Flüge zu seinem Ziel anbieten, und sich für diejenige entscheiden, die am wenigsten CO2 produziert. Dies ist vor allem für Unternehmen mit vielen Geschäftsreisen interessant, die im besten Fall durch den Wechsel der Fluggesellschaft CO2 und Ticketkosten sparen können.
Der Index basiert auf dem CO2-Ausstoß einer Fluggesellschaft pro Kilometer und Passagier auf allen geflogenen Strecken. Den CO2-Ausstoß berechnet der Index über den Flugzeugtyp, die Triebwerke, die Verwendung von Winglets (aerodynamische Flügelspitzen), die Sitz- und Frachtkapazität sowie deren Auslastungen auf jedem einzelnen Flug. Datenquellen sind ausschließlich internationale Organisationen wie ICAO oder IATA und eine Reihe spezialisierter Datendienste der Luftfahrtbranche, sowie Computermodelle von Flugzeugingenieuren.
Die Unterschiede zwischen den Fluggesellschaften können erheblich sein. Der Treibstoffverbrauch pro Passagier und Kilometer kann auf derselben Strecke bei einer Fluggesellschaft mehr als doppelt so hoch liegen wie derjenige einer anderen. Die besten Werte erreichen Fluggesellschaften, die modernes, auf die Streckenlänge angepasstes Fluggerät einsetzen, viele Sitze darin unterbringen und sowohl Sitze als auch Frachtraum gut auslasten.
Internationale Abkommen
Die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens von 2015 erfordert für das 1,5 Grad Ziel, dass CO2-Emissionen weltweit noch vor 2030 ihren Höchststand erreichen und rasch zu sinken beginnen. Der Flugverkehr ist im Pariser Abkommen nicht direkt geregelt. Das Klimaschutzprogramm CORSIA der Internationalen Zivilen Luftfahrtorganisation ICAO von 2016 greift für Fluggesellschaften mit der ersten Phase seit 2024. Die ICAO beschloss zudem 2010 auf der 37. Generalversammlung, dass die Treibstoff- und damit CO2-Effizienz jährlich um 2% steigen soll.
Den atmosfair Airline Index finden Sie auf dieser Seite.