Unter den Titeln „Warum die meisten CO₂-Sparprojekte Luftnummern sind“ (Süddeutsche Zeitung) und „Mogelpackungen im Klimaschutz: Emissionsgutschriften halten nicht, was sie versprechen“ (Tagesspiegel) berichteten die beiden Zeitungen am 14. November 2024 über eine neue Studie in „Nature Communications“, die schwere Mängel in über 2000 CO₂-Kompensationsprojekten feststellt und analysiert. Demnach sind nur weniger als 16% der CO₂-Minderungen in diesen Projekten echt und helfen dem Klima, der Rest sind Schein-CO₂-Minderungen, die nur auf dem Papier stattfinden und dennoch als CO₂-Zertifikate zur Kompensation z.B. von Flügen verkauft werden. Obwohl die größte Kategorie der kritisierten Projekte Aufforstung etc. beinhaltet, die atmosfair nicht anbietet, kritisiert die Studie auch Projekte mit effizienten Öfen für private Haushalte in Entwicklungsländern. Da atmosfair solche Ofenprojekte selbst entwickelt und betreibt, haben wir uns die Studie genauer angesehen.

Um es vorweg zu nehmen: Die atmosfair Ofenprojekte sind nicht betroffen. Die Studie in Nature Communications ist eine Meta-Studie, die nicht selbst neue Daten erhoben hat. Sie wertet vorhandene andere Studien aus (Unterstudien), die wiederum Vergleiche zwischen gemeldeten CO₂-Minderungen von Projekten selbst und Literaturwerten vornehmen. Die Forscher aus diesen Unterstudien sind also auch nicht in Projekte gefahren und haben selbst gemessen, sondern sie haben untersucht, wo es welche Abweichungen zwischen Literatur und behaupteter Praxis in den Projekten gibt. Da die Projekte in der Regel von Prüfern überprüft werden, nach verschiedenen Standards verschiedener Qualität und unter verschiedenen Governance- bzw. Haftungsregeln, müsste jetzt ein Abgleich folgen, um festzustellen, ob die Abweichungen von der Literatur in einem Projekt gerechtfertigt sind oder nicht.

Zentrale Unterstudie für den Bereich effiziente Öfen der aktuellen Meta-Studie in „Nature communications“ ist die Studie “Pervasive over-crediting from cookstove offset methodologies”, Universität von Kalifornien, Berkeley, vom Januar 2024. Sie führt den Vergleich zwischen behaupteten CO₂-Minderungen in Ofenprojekten und Literatur durch und zieht dafür als Vergleichsliteratur ältere Analysen aus den Jahren 2009 – 2014 heran, die wiederum auf einzelnen Projekten beruht.

atmosfair Ofenprojekte unterscheiden sich in zentralen Punkten von der herangezogenen älteren Vergleichsliteratur. Die wichtigsten Unterschiede sind:

  • Ofentyp und -Qualität: Die atmosfair Save 80 Öfen sind aus Edelstahl und haben eine garantierte Lebenszeit von >10 Jahren. Der Eco Zoom Dura Ofen aus der Vergleichsliteratur ist dagegen aus Lehm gebrannt, mit einer einfachen Eisenfassung und ohne Einhausung des Topfes. Die Lebensdauer ist um ein Vielfaches geringer als die nachgewiesene des Save 80 (wir haben in Testphasen bei einem dem Eco Zoom beinahe baugleichen Ofen in Kamerun und in Nigeria nur eine Lebensdauer von ca. einem Jahr beobachtet und haben uns deswegen für den Save 80 entschieden).
  • Thermische Effizienz: Der Save 80 von atmosfair hat eine jährlich gemessene thermische Effizienz von knapp 50%. Der Eco Zoom Dura aus der Vergleichsliteratur erreicht dagegen nur eine thermische Effizienz von 27%. Dementsprechend ist auch der Holzverbrauch des Eco Zoom doppelt und der finanzielle Anreiz für Nutzer nur halb so groß, den Eco Zoom zu nutzen wie beim Save 80 (Kostensenkung für die Nutzer beim Kauf von Feuerholz).
  • Kosten-Nutzen: Die in der Vergleichsliteratur Öfen wurden kostenlos an die Nutzer verteilt, während Haushalte in den Projektländern den Save 80 zu subventionierten Preisen kaufen und bezahlen, oft in Raten und über viele Monate.
  • Regierungsvereinbarungen und Waldverlustraten: Im Vergleich zur Literatur nehmen Projektentwickler unrealistisch hohe Waldverlustraten ohne Öfen an, die zu großen CO₂-Emissionen führen. Das führt zu einer späteren Überschätzung der CO₂-Minderungen durch die Öfen, weil der Waldverlust auch ohne Öfen in der Realität gar nicht so groß war wie behauptet. Atmosfair stimmt aber die zugrundeliegenden Waldverlustraten mit den Regierungen der Projektländer ab, denen diese Daten über die eigenen Behörden vorliegen. Da die Regierungen ein Interesse haben, ihre eigenen Klimaschutzziele unter dem Paris-Abkommen zu erreichen, und die CO₂-Zertifikate von atmosfair von ihren eigenen CO2-Minderungen unter Paris abgezogen werden (Stichwort Corresponding Adjustments, siehe hier : https://www.atmosfair.de/en/standards/overview-offsetting/integre-offsetting-under-paris/offsetting-with-corresponding-adjustments/), haben die Regierungen ein finanzielles Interesse daran, die Waldverlustraten nicht zu hoch, sondern eher zu niedrig anzusetzen. Diesen Effekt konnte die Vergleichsliteratur nicht kennen, da Corresponding Adjustments erst mit dem Paris Agreement nach 2016 eingeführt wurden.
  • Konservative Annahmen sind in der Vergleichsliteratur nicht berücksichtigt. Die meisten atmosfair Ofennutzer nutzen in der Regel zum Garen ohne Holzverbrauch eine Wonderbox, die die effektive thermische Effizienz des Save 80 sogar auf über 55% hebt, was wir uns aber nicht anrechnen.

Diese Punkte belegen, warum der Save 80 von atmosfair hohe Nutzungsraten und CO₂-Minderungen erreicht und sich damit von der Vergleichsliteratur nachweislich und wesentlich unterscheidet.

Leider wird in der aktuellen Meta-Studie einer der wichtigsten Integritätsfaktoren für Ofenprojekte gar nicht untersucht: Die Zusätzlichkeit. Dieses Kriterium fragt danach, ob es nicht auch ohne atmosfair schon genügend Ofenhersteller und -Nachfrage in einem Land gibt. Dann wären die CO₂-Zertifikate für die Hersteller nur eine Zusatzeinnahme, die aber nicht dem Klima mit zusätzlichen CO₂-Einsparungen zugutekommt, sondern nur die Hersteller profitabler macht. Hier sehen wir aktuell eine Entwicklung, in der kommerzielle Ofenhersteller Subventionen von Regierungen einfordern und gleichzeitig CO₂-Zertifikate vermarkten, was der Zusätzlichkeit zuwiderläuft. Deswegen haben wir bei atmosfair noch nie irgendeine Finanzierung oder sonstige Subvention von einer Projektlandregierung oder sonstigen Institution angefordert oder erhalten, sondern finanzieren unsere Projekte ausschließlich mit den Einnahmen von unseren Kunden.

Links:

Süddeutsche Zeitung: „Warum die meisten CO₂-Sparprojekte Luftnummern sind“
Tagesspiegel: „Mogelpackungen im Klimaschutz: Emissionsgutschriften halten nicht, was sie versprechen“
Nature Communications: “Systematic assessment of the achieved emission reductions of carbon crediting projects”
University of California, Berkeley: “Pervasive over-crediting from cookstove offset methodologies”