Liebe Leserinnen und Leser,

letzte Woche hat das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) seinen jährlichen Emissions Gap Report für 2020 veröffentlicht, und dieser spricht eine klare Warnung aus:  Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird sich die Erde bis 2100 um etwa 3 Grad Celsius erwärmen.

Die UNEP stellt für 2020 zwar Corona-bedingt einen Rückgang der globalen CO₂-Emissionen um ca. 7% fest. Das Pariser 1,5-Grad-Ziel liegt aber bei den Emissionen von 2020 immer noch in weiter Ferne. Ungefähr zwei Drittel der globalen CO₂-Emissionen gehen laut Emissions Gap Report auf private Haushalte und auf das Verhalten jedes Einzelnen zurück.

 

Im dritten Teil und letzten Teil dieser Newsletter Reihe berichten wir Ihnen nach der Theorie in der letzten Woche nun aus der Praxis: Unsere neuen Solarprojekte in Madagaskar, Ghana und Kenia.

Lesen Sie, wie wir mit Ihrer Unterstützung die ländliche Elektrifizierung in Madagaskar vorantreiben, wie Menschen in Ghana ihr Handy am Solarkiosk aufladen können und was „ich hole mir ein Wasser vom Kiosk“ für Menschen in Kenia bedeutet. Wir freuen uns auf Ihr Feedback zu den neuen Projekten und auf Ihre Unterstützung auch in 2021, damit wir diese Projekte gemeinsam weiter vorantreiben können.

In 2020 konnten wir trotz Corona und mit Ihrer Hilfe etwa 16 Millionen Euro in unsere Klimaschutzprojekte investieren. Ihre Unterstützung hilft dabei, die Finanzierungslücke von jährlich 700 Milliarden Euro für die Klimawende im globalen Süden zu schließen.

Ich danke Ihnen herzlich für Ihr Vertrauen in unsere Arbeit. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von atmosfair wünschen Ihnen frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr.

 

Ihr Dietrich Brockhagen

Geschäftsführer atmosfair



p.s. Mehr zur Energiewende Nord-Süd und der Rolle von atmosfair-Projekten finden Sie im Jahresbericht 2019.

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Madagaskar: Kohle überspringen, Solarstrom für 40 Dörfer

atmosfair Solarpark Tulear

Rija Rakotoson öffnet mit einem Lächeln im Gesicht die Türen zum Hotel Le Palétuvier in Tulear. Er wird heute das neue atmosfair Klimaschutzprojekt „Rural electrification of Madagascar“ präsentieren. Als Zuhörer erwartet er Vertreter der beteiligten Dorfgemeinschaften, der regionalen und nationalen Verwaltung und der Energiebranche. Der Raum füllt sich schnell und es entsteht ein fröhliches und erwartungsvolles Stimmengewirr.

Rija eröffnet die Veranstaltung und diskutiert in den nächsten fünf Stunden mit den Gästen darüber, wie atmosfair, basierend auf den bereits erfolgten Pilotprojekten, die ländliche Elektrifizierung in Madagaskar im größeren Maßstab vorantreiben will. Ziel ist der Rollout auf 40 Dörfer mit 5.000-10.000 Einwohnern, die bisher gar keine Stromversorgung haben oder nur teilweise mit Dieselgeneratoren versorgt werden. Hier errichten die beteiligten Projektentwickler (Akuo Energy SAS, ANKA Madagascar, Autarsys GmbH und SunFarming GmbH) Solaranlagen mit Stromspeichern, sowie neue dezentrale Stromnetze (sogenannte Mini-Grids). Dadurch erhalten die angeschlossenen Haushalte und das lokale Gewerbe mit ihren Werkstätten Zugang zu sauberer und bezahlbarer Energie. In der Diskussion zeigt sich, dass die Dörfer einen wirtschaftlichen Aufschwung erwarten, da sie endlich die hohen Dieselkosten einsparen.

In den darauffolgenden Tagen besucht Rija die einzelnen Dörfer, um das Projekt vor Ort vorzustellen und dort die Meinung der Dorfbewohner einzuholen, die zur offiziellen Anhörung nicht kommen konnten. Auch hier ist das Feedback durchweg positiv. Rija fasst zusammen: „Die Freude der Dorfbewohner, endlich eine eigene Stromversorgung zu bekommen, ist groß. Zum Teil gab es Bedenken wegen der Stromkosten, die damit einhergehen.

Ingenieure führen Messungen durch um die Erdarbeiten in Mangily vorzubereiten (Bild: Anka)

Diese konnten durch Camille von ANKA jedoch ausgeräumt werden. Sie erklärte, dass durch Engagement von atmosfair der Strompreis so gesenkt wird, dass er für die Dorfbewohner bezahlbar bleibt und dass die Stromnutzer sich zwischen pre-pay- ment und post-payment Systemen entscheiden können. Dadurch muss sich keiner verschulden.“

 

Nicht warten, bis das Netz kommt

In der ersten Phase des Projektes ertüchtigen wir das lokale, dieselbasierte Stromnetz von Tulear mit einer 2,9 MWp Solaranalage, errichten ein Gewächshaus mit einer 1 MWp Solaranlage (beide Anlagen sind mittlerweile fertiggestellt) und elektrifizieren weitere 40 Dörfer. Dies soll weitere Investoren dazu bringen, in die großflächige ländliche Elektrifizierung in Madagaskar zu investieren. Das Projekt trägt bereits jetzt maßgeblich zur Energiewende in Madagaskar bei und ermöglicht das Überspringen des klassischen Netzausbaues auf dem Weg zur flächendeckenden Energieversorgung.

Solarkioske Ghana: Geld einwerfen, Handy laden und dabei für ein Solar Home System sparen

Transport eines Solarmoduls auf die Insel Prida

Isaac Darkoh schlängelt sich auf seinem Motorrad über die sandigen, rostroten Straßen Ghanas vorbei an Kakaoplantagen und Bananenbäumen. Er fährt in Richtung des Voltasees. Dort, am größten Stausee der Erde, steht im Ortskern des Dorfes Bumpata ein Solarkiosk der Firma Sunhut Limeted. Isaac ist bei Sunhut als Operations Manager angestellt und fährt regelmäßig ein bis zwei Mal im Monat in die Dörfer.

Er stellt sein Motorrad in der Sonne ab und beginnt im Schatten des Kiosks mit seiner Arbeit. Direkt über ihm arbeitet etwas Anderes – Solarmodule, welche stündlich circa 1 kWh Solarstrom produzieren, genug um 80 Handys und 80 Solarlampen gleichzeitig aufzuladen. Schon versammeln sich die ersten Dorfbewohner um ihn. Für den Sunhut-Mitarbeiter gibt es viel zu tun.

Isaac Darkoh auf seinem Motorrad (Quelle: Sunhut Limited)

Sunhut betreibt Solarkioske, welche es der Firma erlauben, Solar-Home-Systeme (SHS) in besonders entlegenen Gebieten Ghanas kostengünstig zu verkaufen.

Vor einem halben Jahr stand Isaac schon der Schweiß auf der Stirn, als er das erste Mal in Bumpata ankam und die Lampen, Solarmodule, Powerbanks und Radios präsentierte. Bei diesen Verkaufsveranstaltungen geht es darum, das Interesse der Menschen zu prüfen, bevor später möglichst zentral im Ort der Kiosk errichtet wird. Isaac wischt sich mit dem Handrücken über die Stirn, nimmt defekte Produkte entgegen, repariert diese und beantwortet Fragen neugieriger Dorfbewohner.

Isaac schaut auf ein Dokument und gleicht Zahlungspläne mit den tatsächlich geleisteten Zahlungen ab. Stimmt alles, stellt er den Nutzern eine Quittung aus. Obed Adi-Darko, ein Dorfbewohner und Kunde von Sunhut, hat bereits genügend Geld entrichtet. Der Operations Manager übergibt ihm seine eigene, neue LED-Lampe. Einige Monate und Zahlungen später folgt ein 7 Watt Solarpanel, mit dem Obed dann seine Lampe und Mobiltelefone selbst laden kann. Im Schnitt dauert es 1,5 Jahre bis die Nutzer so ihr eigenes SHS erworben haben.

 

Ein Nutzer bringt seine Lampe zum Aufladen an den Solarkiosk (Quelle: Sunhut limited)

Überzeugen von diesem Konzept ließ sich atmosfair im Sommer 2018. Im Zuge unserer Ausschreibung für ländliche Elektrifizierung reichten Edward Osew (CEO von Sunhut) und Thomas Ricke (CEO von Villageboom) ihre gemeinsame

Bewerbung ein. Bei dem darauffolgenden Projektbesuch analysierten wir die örtlichen Bedingungen und die erste Pilot-Installation. Es zeigte sich, dass die ländliche Bevölkerung in Ghana derzeit vor allem Taschenlampen mit Einwegbatterien nutzt, was neben den hohen Kosten, dem hohen CO₂-Fußabdruck auch ein großes Müllproblem darstellt. Die neuen Solarkioske bieten der Bevölkerung eine attraktive Alternative. Mit unserem Einstieg in das Projekt erfolgt derzeit ein schrittweiser Ausbau von neuen Solarkiosken. Mittlerweile sind 37 Solarkioske von 200 geplanten in Betrieb.

Kenia: Trinkwasserreinigung bei schwankendem Strom

Solarer Wasserkiosk mit Trinkwasserreinigung in Kenia

Am 24. August 2019 feierte atmosfair zusammen mit der Boreal Light GmbH die Eröffnung der ersten solarbetriebenen Wasseraufbereitungsanlage in Burani, Kenia. Täglich werden nun für die 6.000 Menschen aus Burani und den umliegenden Dörfern bis zu 25.000 Liter Wasser entsalzt und u.a. von Fluor, Chlor, Bakterien und Viren gereinigt – so entsteht sauberes Trinkwasser, welches die Dorfbewohner in 20-Liter Nachfüllkanistern direkt im Dorf abfüllen.

Das Projekt hatte 2018 seinen Ursprung, als atmosfair mit der Suche nach geeigneten Technologien und Kooperationspartnern im Bereich der solarbasierten Wasseraufbereitung begann. Wir entdeckten erfolgversprechende Neuentwicklungen bei Systemen, die ohne Netzanschluss, ohne Dieselgenerator und auch ohne

Batterie auskommen. Technische Grundlage ist das Umkehrosmoseverfahren, bei dem durch Druckänderungen die Verunreinigungen durch Membrane gefiltert werden.

Die Produkte des Berliner Herstellers Boreal Light und des französischen Unternehmens Mascara weckten unser besonderes Interesse. Boreal gewann 2019 als Bundes- und Publikumssieger den KfW Award Gründen. Wir entschlossen uns, die Technologien genauer unter die Lupe zu nehmen und die Produkte im Einsatz im Globalen Süden zu testen.

Mitarbeiterin beim Abfuellen des Trinkwassers in Mehrwegkanister (Quelle: BorealLight)

Parallel zu den Tests an den Produktionsstandorten entwickelten wir die Umsetzung von ersten Pilotprojekten in einem Wasserkiosk. Die erste Anlage, die im August 2019 in Burani in Betrieb ging, findet große Begeisterung bei den Dorfbewohnern. Vor der Installation des Wasserkioskes bedeutete Wasserholen, einen zweistündigen Fußmarsch auf sich zu nehmen. Das Wasser musste dann auch noch abgekocht werden, wofür die Frauen aus dem Dorf Brennholz aus dem umliegenden Wald sammelten.

Zusätzlich zu Trinkwasser erzeugt die Anlage noch Wasser in geringerer Qualität, das zur Bewässerung, zur Fischaufzucht- und als Sanitärwasser genutzt werden kann. In Burani werden hiermit eine vertikale Farm für den Obst- und Gemüseanbau, drei Fischtanks für die Fischzucht, sowie eine öffentliche Sanitäranlage betrieben. Die von dem Wasserkiosk erwirtschafteten Einnahmen decken die Gehälter der Mitarbeiter, sowie die Wartungskosten der Anlage.

Die Anlage in Burani ist Vorbild für den Bau von weiteren 40 Wasserkiosken. Mittlerweile sind 5 Anlagen fertiggestellt und 18 Anlagen derzeit in Bau.

Eine vertikale Farm mit integrierter Bewässerung (Quelle: BorealLight)