atmosfair fairfuel ist ein Gütesiegel für Power-to-Liquid (PtL) – E-Kerosin und E-Methanol für den Flugverkehr und den maritimen Transportsektor. E-Kerosin wird aus synthetischem Rohöl zu kommerziell anwendbarem Jet A1 raffiniert, wobei das Rohöl durch Syntheseverfahren aus den Ausgangsstoffen CO₂ und Wasser unter dem Einsatz von Strom erzeugt wurde. E-Kerosin kann in der bestehenden Luftfahrt-Infrastruktur eingesetzt werden, ohne dass Flughafeninfrastruktur oder Turbinen modifiziert werden müssen. Damit hat E-Kerosin das Potential, das CO₂-Problem des Flugverkehrs dauerhaft und ausreichend schnell für die Klimaschutzziele von Paris zu lösen. E-Methanol wird ebenfalls im Syntheseverfahren aus den Ausgangstoffen CO₂ und Wasser unter dem Einsatz von Strom erzeugt und ist im maritimen Sektor direkt als Kraftstoff einsetzbar. E-Methanol besitzt ähnliche Eigenschaften wie Marinediesel und kann in bestehender Infrastruktur des maritimen Transportsektors mit geringen Anpassungen genutzt werden. Zukünftig kann, nach der Vergabe der entsprechenden ASTM-Zertifizierung, auch E-Methanol zu E-Kerosin weiterverarbeitet werden. Sowohl diese Variante als auch die Verwendung von Nebenprodukten im Rahmen der Raffinerieprozesse von E-Kerosin sind mit diesem Standard abgedeckt. Um all diese Potentiale auszuschöpfen, bedarf es aus Klimasicht eines integren Einsatzes der PtL-Technologie – dies stellt der atmosfair fairfuel Standard sicher.
Im Flugverkehr verbleiben dann noch die stark klimaerwärmenden Non-CO₂-Emissionen, die auch von E-Kerosin zunächst nur reduziert, nicht aber eliminiert werden. Dies ist längerfristig durch optimierte Flugrouten erreichbar aber nicht Gegenstand des fairfuel Standards.
Beschränkung auf Flugverkehr und maritimen Transportsektor
Aufgrund des hohen Energieaufwandes für die Produktion von PtL-Produkten und der zunächst geringen Produktionsmengen beschränkt der atmosfair fairfuel Standard E-fuels auf den Einsatz im Flugverkehr (Mittel- und Langstrecke) und in der Hochseeschifffahrt, da es für diese Sektoren keine alternativen Antriebsarten gibt. Die Nutzung von atmosfair fairfuel im Straßenverkehr ist somit ausgeschlossen.
Hauptziel: Dekarbonisierung des Luftverkehrs und der Hochseeschifffahrt
Die atmosfair fairfuel Kriterien stellen sicher, dass die möglichen Treibhausgasreduktionen von E-Kerosin/E-Methanol maximal realisiert werden – durch den Einsatz von nicht-fossilen, meist biologischen CO₂-Quellen mit Reststoffcharakter. PtL-Anlagen nach fairfuel Standard müssen zudem in zunehmendem Umfang direct air capture (DAC) Anlagen für die Bereitstellung von CO₂ einsetzen, um auf Dauer vollständig unabhängig von allen biogenen und Reststoffquellen zu werden. Dazu kommen Zusätzlichkeits- und Regionalitätsanforderungen an die genutzten erneuerbaren Stromquellen, die die Energiewende unterstützen und nicht in Konkurrenz zu dieser stehen.
CO₂
Zulässige CO₂-Quellen sind nicht-fossil und haben Reststoffcharakter. Die Einteilung der Quellen erfolgt in vier Klassen (Direct Air Capture, nachhaltig, bedingt nachhaltig, nicht nachhaltig). Die Filterung von CO₂ aus der Luft (direct air capture, DAC) ist dabei die beste Quelle. Die Beurteilung der Quellen hängt zudem von der Umweltbelastung durch die Vorkette ab und schließt beispielsweise bestimmte Substrate in Biogasanlagen aus, wie z.B. Anbaubiomasse mit Mais. Wenn klimafreundliche Alternativen zur Verfügung stehen, wie z.B. die Stahlproduktion mit grünem Wasserstoff, kommt die Quelle Stahlverkokung nicht in Frage. In der silber-Abstufung des fairfuel Siegels ist aber z.B. CO₂ aus der Zementproduktion als zeitliche befristete Übergangslösung zulässig.
Bei Nutzung von CO₂ aus fossilen Quellen kann maximal eine Reduktion der Treibhausgasemissionen von 50% erreicht werden, da das CO₂ im Vergleich zum rein fossilen Status quo (siehe Abbildung) nun zumindest ‚doppelt‘ verwendet wird. Dabei wird aber weiterhin fossiles CO₂ aus der Erde in die Atmosphäre eingebracht , was also die Klimaziele verfehlt. Bei DAC oder biogenem CO₂ lässt sich dagegen ein kurzfristiger CO₂-Kreislauf erreichen, da hier das atmosphärische CO₂ mittels Pflanzen oder Technologie aus der Atmosphäre entnommen und dann zu E-Kerosin verarbeitet wird. Dies ist das einzige Szenario, in dem kein fossiles CO₂ für die Produktion von E-Kerosin zur Anwendung kommt und in die Atmosphäre gelangt. Daher leitet der atmosfair fairfuel Standard seine Kriterien für fairfuel aus diesem Szenario ab.
Strom
Der Strombezug für die Syntheseanlage darf nicht zu Lasten der Energiewende und der Klimaziele von Paris gehen und die angestrebte Dekarbonisierung des Stromsektors nicht verzögern. Daher muss für atmosfair fairfuel der Strom nicht nur zu 100% erneuerbar, sondern zudem zusätzlich sein und geografisch und zeitlich mit der Erzeugung korrelieren. Um dies sicherzustellen, gelten für den fairfuel Standard die europäischen Vorgaben für erneuerbaren Strombezug für die Produktion von RFNBOs. Die „Delegierte Verordnung (EU) 2023/1184 der Kommission vom 10. Februar 2023 zur Ergänzung der Richtlinie (EU) 2018/2001“ legt diese Vorgaben fest. Damit wird sichergestellt, dass bei einem Netzbezug die Bedingungen der Zusätzlichkeit sowie eine zeitliche und geografische Korrelation gewährleistet sind. Die spezifischen Anforderungen lassen sich dem oben genannten Rechtsakt entnehmen.
Der fairfuel Standard ergänzt diese Kriterien mit zusätzlichen Anforderungen, um eine Produktion von E-Kerosin / E-Methanol im Einklang mit den Pariser Klimazielen sicherzustellen.
- Streichung der Übergangsphase im Bereich Zusätzlichkeit
- Erweiterung der geografischen Korrelation (500 km Radius)
- Systemdienlichkeit der PtL-Anlage
Bei Standorten im Nicht-EU-Ausland muss der PtL-Anlagenbetreiber der lokalen Bevölkerung zusätzlich bei Bedarf Strom zu sozialverträglichen Preisen zur Verfügung stellen. Eine Liste anerkannter Zertifizierungsstellen für fairfuel finden Sie hier. Eine Liste der nach dem atmosfair fairfuel Standard validierten Power-to-Liquid Anlagen finden Sie hier.
Wirtschaftlichkeit und Machbarkeit, Markthochlauf
Die atmosfair-Kriterien verlangen von Anlagenbetreibern zwar erhöhten Aufwand bei der Planung, führen aber nicht automatisch zu höheren Kosten. Im Gegenteil können die Kosten langfristig gegenüber anderen Szenarien sinken, wenn die Verfügbarkeit von CO₂ und Strom als Hauptressourcen in der fairfuel Variante auch bedeuten, unabhängiger von externen Risikofaktoren zu werden und einen stetigen Betrieb der Anlage gewährleisten zu können.
Zusammenfassend gilt, dass sich die fairfuel Kriterien oft bezahlt machen können. Insgesamt gefährden diese Kriterien damit auf absehbare Zeit nicht den Markthochlauf von PtL-Kerosin.
Ausreichend CO₂-Quellen für den Flugverkehr verfügbar
Die Nachhaltigkeit von PtL erfordert neben den Umweltstandards auch die Beachtung der wirtschaftlichen Seite. Neben den bereits angesprochenen Kosten ist dabei sicherzustellen, dass die nach diesem Standard zulässigen CO₂-Quellen in ausreichendem Maße verfügbar sind.
atmosfair hat deswegen für den Weltluftverkehr den CO₂-Bedarf für die PtL-Produktion ermittelt und diesen mit den verfügbaren Mengen aus Quellen der Kategorien A und B (nachhaltig und bedingt nachhaltig) dieses Standards verglichen. Es zeigt sich, dass heute global ausreichend Reststoff-CO₂-Quellen mit einem Schwerpunkt im Bereich Abfallbiomasse zur Verfügung stehen, um den Weltluftverkehr vollständig mit nachhaltigem PtL zu versorgen. Je schneller der Flugverkehr zukünftig wächst, desto schneller muss der Umstieg auf Direct Air Capture erfolgen. Die atmosfair Kriterien vereinen hier die Notwendigkeit, aus Umweltsicht schnell auf DAC umzusteigen, mit der wirtschaftlichen Notwendigkeit, ausreichend sichere CO₂-Quellen für den nötigen Markthochlauf von E-Kerosin oder E-Methanol zu nutzen.