Wie setzen verschiedene Standards die neuen Regelungen des Pariser Klimaschutzabkommens um?

Der atmosfair-Standard: Wie setzt atmosfair die neuen Regelungen des Pariser Klimaschutzabkommens um?

Unser Rat an Unternehmen

Der Weg zu Corresponding Adjustments/integrer Kompensation unter Paris: Wo steht atmosfair?

 

Wie setzen verschiedene Standards die neuen Regelungen des Pariser Klimaschutzabkommens um?

Die Umstellungen von Kyoto- auf Paris-Regeln sind auch für den freiwilligen Markt relevant. Die bei der COP26 in Glasgow beschlossenen Regeln machen klare Vorgaben, wie Projektbetreiber und Kompensationskunden die Umweltintegrität bei der Kompensation sicherstellen und Doppelzählungen von Emissionsreduktionen vermeiden sollen. Die Regeln für Artikel 6 unterscheiden dabei nicht zwischen Projekten des freiwilligen Marktes und des Compliance Marktes.

Artikel 6 verbietet jedoch nicht die Verwendung von Zertifikaten ohne Corresponding Adjustments (CA) für die freiwillige Kompensation. Die Verantwortung dafür, dass Zertifikate ohne Corresponding Adjustments (CA) nicht für die freiwillige Kompensation verwendet werden, liegt daher bei den Standards im freiwilligen Markt. Die beiden in Deutschland bekanntesten privaten Standards im freiwilligen Markt, Gold Standard und Verra (früher VCS) gehen mit den neuen Rahmenbedingungen derzeit aber noch unterschiedlich um.

  • Verra erkennt die Notwendigkeit von Corresponding Adjustments für den freiwilligen Kompensationsmarkt nicht an. Verra möchte den Käufern die Entscheidung überlassen, ob sie Zertifikate mit oder ohne Corresponding Adjustments erwerben und für welche Zwecke sie diese einsetzen. Die NGO Carbon Market Watch schätzt diesen Ansatz als nicht ausreichend ein, um Doppelzählungen zu vermeiden und die Umweltintegrität zu wahren. Aus ihrer Sicht können zudem die Käufer nicht nachvollziehen, was sich genau hinter den verschiedenen Labels verbirgt (siehe auch Carbon Market Watch (2020)).
  • Gold Standard setzt im freiwilligen Markt derzeit das Best-Practice-Beispiel für Neuausrichtung des freiwilligen Marktes an den Rahmenbedingungen des Pariser Klimaschutzabkommens. Der Gold Standard will zukünftig zwischen Emissionsreduktionen, für die Corresponding Adjustments durchgeführt wurden und die für die Kompensation verwendet werden dürfen, und Zertifikaten, die nicht zur Kompensation eingesetzt werden dürfen, weil die Minderungen vom Gastland verwendet werden, unterscheiden.

Projektbetreiber, die Projekte zur Kompensation betreiben wollen, müssen dafür ein Letter of Assurance and Authorisation („LoAA“) des Gastlandes vorlegen. Doch diese Regelungen sind noch nicht ausreichend, um wirklich sicherzustellen, dass es nicht zu Doppelzählungen kommt, denn ein LoAA ist zunächst nur eine Absichtserklärung des Projekt-Gastlandes, diese zu verhindern. Ob das Gastland die notwendigen Anpassungen in seinem Inventar zuverlässig vornehmen wird, muss sich zunächst zeigen. Am meisten Sicherheit für Kompensationskunden bieten hier ehemalige CDM-Projekte, denn sie wurden bereits von der Regierung als CO₂-mindernd anerkannt (sogenannter Letter of Approval, LoA) und unterliegen bereits der Aufsicht der Staatengemeinschaft. Es wird erwartet, dass diese Projekte nach einer strengen unabhängigen Prüfung schnell in den neuen Artikel 6 Mechanismus überführt werden können. Weiterhin können bestehende Verträge über die Abtretung von Emissionsreduktionen (ERPA) zwischen Projektbetreiber und Gastland als Sicherheit dienen.

Auch bei den Kompensationsanbietern gibt es stark unterschiedliche Standpunkte zu Corresponding  Adjustments. atmosfair bekennt sich bei der Kompensation klar zu Corresponding Adjustments und wir haben bereits mit 6 Gastländern die weltweit ersten bilateralen Vereinbarungen zur Vermeidung von Doppelzählungen und der Erteilung von Corresponding Adjustments getroffen.

Der atmosfair-Standard: Wie setzt atmosfair die neuen Regelungen des Pariser Klimaschutzabkommens um?

Wie im vorigen Abschnitt dargestellt, reichen die Vorkehrungen zur Vermeidung von Doppelzählungen der Klimaschutzstandards im freiwilligen Kompensationsmarkt noch nicht aus. atmosfair hat daher zusätzlich eigene Anforderungen entwickelt, die Projekte erfüllen müssen, um für die Kompensation geeignet zu sein.

atmosfair Anforderungen an Klimaschutzprojekte und die daraus hervorgehenden Minderungseinheiten:

  • LoAA (Letter of Assurance and Authorisation): Ein LoAA inklusive der Zusicherung von CAs (Corresponding Adjustments) wurde vom Gastland für das Projekt/Programm ausgestellt.
  • Überführung in Artikel 6.4.: Es handelt sich um ein registriertes CDM Projekt/Programm, das einen Antrag auf Überführung in Artikel 6.4 bei der UNFCCC eingereicht hat.
  • GS Register Autorisierung vermerkt: Im Gold Standard Register ist das Projekt als autorisiertes Projekt abgebildet.
  • Artikel 6 readiness training: Die Gastlandadministration hat aktiv an Trainings zur Umsetzung des Artikel 6 teilgenommen
  • Mittelbedarf: Nur Projekte, die neu initiiert wurden oder die nachweislich nach 2020 weitere Mittel für den Ausbau benötigen, dürfen für die Kompensation eingesetzt werden.
  • Übergangsregelung alte Zertifikate: Es dürfen nur Minderungseinheiten für die Kompensation genutzt werden, die auf Minderung basieren, die nach 2020 erzielt wurden und die alle obigen Kriterien erfüllen. Übergangsweise gilt eine Ausnahmeregel für die Verwendung von Minderungseinheiten die 2020 oder früher erzielt wurden (Vintage 2020 oder älter). Diese dürfen für die Kompensation eingesetzt werden, wenn sie die obigen Punkte erfüllen.
  • Alle Qualitätskriterien wie Permanenz und Zusätzlichkeit müssen erfüllt sein

Unser Rat an Unternehmen:

Der Blick der Öffentlichkeit auf die Kompensation, und auf Klimaschutzstrategien und -maßnahmen von Unternehmen wird zunehmend strenger. Damit die CO₂-Kompensation wirksam ist, empfehlen wir, die höchsten Standards und Qualitätskriterien an Kompensationsanbieter, Klimaschutzprojekte und Emissionsreduktionen anzulegen.

Wir haben diese für Sie in unserem atmosfair-Standard zusammengefasst. Wir empfehlen Ihnen, diese Kriterien bei den Projekten, mit denen Sie kompensieren, zu überprüfen und von den Projektbetreibern einzufordern.

Sollte dies nicht möglich und noch nicht alle Kriterien erreicht sein, raten wir, nur Zertifikate aus Projekten zu kaufen, die zumindest die folgenden Anforderungen erfüllen:

  • Das Projekt sollte auf der UNFCCC-Seite als CDM-Projekt registriert sein und die Issuances von Minderungszertifikaten, die nach 2020 generiert wurden, sollten entsprechend auf den “provisional Status” auf der Homepage der UNFCCC haben (Siehe z.B. unser Nigeria Projekt).
  • Im Falle von reinen GS-Projekten: Im Gold Standard Register ist das Projekt als autorisiertes Projekt abgebildet (d.h. LoAA hinterlegt).
  • Es sollte sich um einen Projekttypen handeln, in dem fortlaufend finanzielle Mittel benötigt werden, also etwa ein Projekt, das fortlaufend weiter ausgebaut wird, wie z. B. ein Haushalts-Biogas-Projekt.

Selbstverständlich sollten die Qualitätskriterien für Projekte (vgl. Abschnitt „Auf die Qualität der Projekte kommt es an“) erfüllt sein.

Wir raten ab von:

  • Zertifikaten, die nur unter einem Standard im freiwilligen Markt registriert sind, und nicht der Aufsicht der UNFCCC unterliegen (also keine CDM Projekte sind),
  • Zertifikaten, die bis 31.12.2020 generiert wurden und aus Projekten stammen, die nicht in Art. 6 überführt werden sollen.
  • Zertifikaten aus Waldprojekten, aufgrund der nicht gesicherten Permanenz der Emissionsreduktionen und Berichten über Menschenrechtsverletzungen
  • Projekten aus der atmosfair-Negativliste

Der Weg zu Corresponding Adjustments/integrer Kompensation unter Paris: Wo steht atmosfair?

Die Voraussetzungen für CAs zu schaffen, ist ein langwieriger Prozess – auf Seiten der Gastländer und der Projektentwickler. Die Gastländer müssen einen Überblick über die auf ihrem Gebiet durchgeführten Projekte haben, und die administrativen Strukturen zur Erfassung von Emissionsminderungen und zur Erstellung der Emissionsinventare schaffen. Projektbetreiber müssen Kontakt zu den Gastländern ihrer Projekte aufnehmen, und CAs erfragen.

Überführung in Art. 6.4. vorgesehen:

Alle Projekte, die atmosfair nach 2020 zur Kompensation anbietet, sind neben dem GS auch unter dem CDM registriert . Damit sind sie dem Gastland bekannt und haben eine gute Ausgangsposition für die Überführung in Artikel 6.4. atmosfair wird für alle Projekte die Überführung in Artikel 6.4 beantragen.

Gastland-Dialog: atmosfair hat den Dialog mit den Gastländern seiner Projekte schon früh begonnen und ist mit seinem Engagement führend im freiwilligen Markt, wie Silke Karcher, ehemalige Leiterin des Referats für EU-Klima- und Energiepolitik, Europäische Klimaschutzinitiative, Kohlenstoffmärkte im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) bescheinigt (vgl. Box). Gemeinsam mit den Projektpartnern im jeweiligen Gastland hat atmosfair mit den zuständigen Regierungsstellen Kontakt aufgenommen, auf die Gefahr von Doppelzählungen von Emissionsreduktionen hingewiesen und einen Austausch mit dem Gastland über die Vermeidung von Doppelzählungen durch CA angestrebt. Inzwischen hat atmosfair mit Nepal das erste Abkommen über CA im freiwilligen Markt erzielt: Nepal hat zugesichert, dass es sich die in atmosfair-Projekten in Nepal erbrachten Emissionsreduktionen nicht auf sein NDC anrechnen wird. Dadurch kann atmosfair die in Nepal erzielten Emissionsminderungen auch weiterhin zur CO₂-Kompensation nutzen. Auch Ruanda hat zugestimmt, dass atmosfair Zertifikate aus seinem dortigen Ofenprojekt für die Kompensation einsetzen darf, und für das Projekt ein formales Zustimmungsschreiben (LoAA) ausgestellt.

Den aktuellen Stand eines jeden atmosfair Projektes (Status bei Corresponding Adjustments, geeignet für Kompensation) stellen wir transparent auf jeder einzelnen Seite des jeweiligen Projektes dar.

Zusammenarbeit mit Gold Standard:

atmosfair steht in engem Austausch mit dem Gold Standard darüber, wie die Gastlandautorisierung von Projekten im Gold Standard Register abgebildet wird.

Gemeinsam mit Gold Standard hat atmosfair Übergangskriterien entwickelt, die Projekte im freiwilligen Markt erfüllen müssen, um mit den Regeln des Pariser Klimaschutzabkommens, insbesondere zur Vermeidung von Doppelzählungen, im Einklang zu sein (Gold Standard Übergangskriterien).

Aufklärung anderer Marktteilnehmer:

Im freiwilligen Kompensationsmarkt setzt sich allmählich die Einsicht durch, dass CA zur Vermeidung von Doppelzählungen notwendig sind, doch besteht seitens Anbietern wie Kunden noch Uneinigkeit und Unsicherheit. atmosfair leistet Aufklärungsarbeit zur Notwendigkeit von CA für integre Kompensation und unterstützt andere Marktteilnehmer durch Informationen. So engagiert sich atmosfair etwa mit der Durchführung von Workshops in der auf Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ins Leben gerufenen Allianz für Entwicklung und Klima. Auch unterstützte atmosfair das Land Baden-Württemberg bei der Ausarbeitung eines Leitfadens zur CO₂-Kompensation.